
Ich bin Feministin. Ich bin weder stolz darauf, noch schäme ich mich dafür oder möchte mich verstecken. Ich trete für die Rechte von Frauen und Mädchen ein, ich fordere die Gleichberechtigung mit Männern und Jungen. Ich bin gegen Sexismus – egal gegen wen er sich wendet (ja, auch gegen Männer). Ich bin der Meinung, dass Männer und Frauen und all diejenigen, die sich nicht einem der beiden Geschlechter zuordnen können oder möchten, mit gleichem Respekt und gleicher Würde behandelt werden sollten. Auch in Deutschland. Ich halte Liebe in allen geschlechts- und geschlechtslosen Formationen für gleichwertig. Ich möchte mich deshalb auch selbst nicht als heterosexuell definieren. Ich glaube, dass es engstirnig ist, Menschen nach Geschlecht oder Sexualität zu beurteilen oder zu bewerten. Ich glaube auch, dass jeder das tun sollte, was er kann um gegen Ungerechtigkeit oder Sexismus vorzugehen. Denn man muss keine unzähligen Lehrbücher gelesen haben, man muss nicht auf dem aktuellsten Stand der Debatten oder alles außer heterosexuell sein um sich der Relevanz der Thematik und der Diskussionen bewusst zu werden und etwas zu der Gleichberechtigung beizutragen. Die Gegenseite ist das nämlich auch nicht. Und der ist es egal.
Soviel möchte ich vorweg schon einmal schreiben, bevor ich hier zum ersten Mal über ein Thema der Geschlechterforschung berichte und euch von der Gruppe Mädchen erzähle, der ich Freitag Nachmittag auf dem Weg nach Hause begegnet bin.
Die kleine Gruppe mit zwei Erzieherinnen kam mir an einer Ampel entgegen und die etwa zwölf um die fünf- bis sechsjährigen Mädchen liefen Hand in Hand in Zweiergrüppchen zwischen den beiden über die Straße. Jedes von ihnen mit Schildmütze und Rucksack. Und jedes dieser Mädchen trug rosa.
Nun ist es nicht so, dass alle Mädchen komplett in rosa oder pink gekleidet waren, aber, und ich habe mir jedes Mädchen angesehen, ohne Ausnahme trug jedes von ihnen mindestens ein rosa Textil am Körper. Manche von ihnen hatten rosa Leggins oder ein rosa T-Shirt an, aber auch diejenigen, die weiße Shirts und blaue Jeans trugen, hatten rosa Haarspangen, rosa Schildmützen oder große pinke Flächen auf ihren Rucksäcken, rosa Trinkflaschen oder pinke Schuhe und rosa Socken.
Die einzige Person, die gar kein rosa trug, war eine der Erzieherinnen. Ich musste kurz stehenbleiben. Wirklich kein einziges der Mädchen hatte das Haus heute Morgen ohne die Farbe Rosa verlassen. Kein einziges.
Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass es mir nicht aufgefallen wäre, wenn alle Mädchen etwas blaues oder gelbes getragen hätten. Und wahrscheinlich ist das richtig. Allerdings sind das Farben, die allgemein für beide Geschlechter als geeignet erscheinen. Man sieht sie häufig überall. Wäre es von unserer Gesellschaft ebenso fraglos anerkannt, dass Jungen ebenfalls rosa tragen würden, wenn sie möchten und würden eben Jungen und Mädchen rosa tragen, wäre es mir vermutlich auch nicht aufgefallen.
Wie kommt das Rosa in den Schrank?
Als 1927 die schwedische Prinzessin Astrid, die den belgischen Thronfolger geheiratet hatte, schwanger war, war sie sich sicher, dass sie einen Jungen bekommen würde. Deshalb wurde das Kinderzimmer in rosa gehalten. Rot stand zu dieser Zeit für Kampf, Blut und Männlichkeit. Rosa als kleines Rot war demnach für die Jungen reserviert, wohingegen Mädchen hellblau in Anlehnung an die blauen Gewänder der Mutter Jesu trugen. Angeboren ist den Mädchen die Neigung oder die Bestimmung zur Farbe Rosa also nicht. Und Prinzessin Astrid bekam eine Tochter.
Seit den 20er und 30er Jahren wurde die Farbe Rosa dann vermehrt mit Weiblichkeit assoziiert. Nach dem ersten Weltkrieg fand die Farbe Blau für Jungen immer mehr Verwendung, da sie an die Arbeits- und Marineanzüge angelehnt war. Für die Mädchen blieb als Kontrast und Überbleibsel die Farbe Rosa.
Natürlich sollten Kinder selbst mitentscheiden, was sie gerne tragen möchten und das Problem besteht nicht darin, dass eine fünfjährige morgens ihr Lieblingsshirt aus dem Schrank zieht, sondern darin, dass diese Farbe Mädchen schon vor der Geburt definiert, dass sie die Macht hat, jedes Kind zum stereotypen Mädchen zu machen (dazu später mehr). Trägt das Kind im Kinderwagen rosa, dann ist es ein Mädchen, ist der Kinderwagen selbst rosa, sieht man schon von weitem, dass es ein Mädchen ist und falls das noch nicht reicht, klebt man dem Säugling am besten noch ein rosa Schleifchen auf den Kopf nachdem man ihm Ohrlöcher stechen lassen hat. Sicher ist sicher.
Beinahe jeder zweite Kindergartenrucksack auf Amazon, mytoys oder Dawanda ist rosa oder Pink. Rosa taucht in der aktuellen Kollektion von H&M in der Hälfte aller Bekleidungsstücke für Mädchen auf, aber nicht bei Jungen. In der aktuellen Kollektion von C&A sind weit mehr als die Hälfte der T-Shirts rosa oder pink oder haben rosa oder pinke Details.
T-Shirts für Mädchen aus der aktuellen C&A-Kollektion

Schaut euch die T-Shirts noch einmal kurz an. Keines dieser T-Shirts könnte ein Junge tragen, ohne dass man als Eltern befürchten müsste, dass er von irgendwo einen blöden Spruch zu hören bekommen könnte. Keines.
Die T-Shirts für Jungen hingegen könnten wahrscheinlich auch von Mädchen getragen werden, ohne dass es auch nur auffallen würde. Für die tägliche Dosis Rosa gibt es schließlich auch noch die Haarspangen und Brotdosen, Armbänder und Sportbeutel.
T-Shirts für Jungen aus der aktuellen C&A Kollektion

Die Kinder sind nicht dafür verantwortlich, dass die Kleiderschränke der Mädchen voller rosa sind und die der Jungen nicht. Auch die Eltern, Großeltern, Verwandten und Freunde kann man kaum dafür verantwortlich machen, denn es gibt ja fast nichts für Mädchen zu kaufen, das nicht rosa ist. Die Konzerne wie H&M oder C&A bieten wiederum das an, was gekauft werden will.
Viele Eltern möchten gerne, dass das Mädchen pink trägt, viele Mädchen möchten sich über rosa als Mädchen definieren und viele Frauen tragen es gerne. Daran ist eigentlich nichts verwerflich. Ich bin der Ansicht, dass bitteschön jeder das tragen sollte, was er möchte. Doch trotzdem gibt es zwei Verlierergruppen, die man durch die rosarote Brille gar nicht sieht:
Zum einen die Mädchen, die von Erwachsenen und Gleichaltrigen vorgelebt bekommen, dass Rosa eben für Mädchen ist und ihnen gleichsam das schwere Paket der Klischees und Stereotypen gegenüber Mädchen in die Hände gedrückt wird. Denn Rosa ist nur für Mädchen, Puppen sind nur für Mädchen, Mädchen kochen gerne, Mädchen sind immer höflich und lieb, Mädchen müssen aufpassen, dass die ihr neues Kleid nicht schmutzig oder die Strumpfhose kaputt machen, Mädchen möchten Mama sein, Mädchen sind Zicken, Mädchen können nicht so schnell rennen, Mädchen sind schwächer als Jungen, Mädchen lassen sich gerne helfen.
Zum anderen die Jungen, die gerne Katzen-Prints und Puppen mögen, die Schleifen und Rüschen hübsch finden und denen gesagt wird, dass Rosa für Mädchen ist. Denn Jungen mögen einfach kein Rosa, Jungen sind stark, Jungen weinen nicht, Jungen tragen keine Haarspangen, Jungen ziehen keine Röcke an, Jungen kriegen kein Glitzer, weil das ’schwul‘ ist, Jungen mögen Dinosaurier und Autos, Jungen müssen Mädchen beschützen, Jungen gehen später Arbeiten, Jungen mögen keine Feen und Prinzessinnen, sondern Cowboys und Jedis, Jungen schaffen das schon alleine.
Die Auswahl der Mädchen an T-Shirts beim Einkaufen ist demnach eigentlich doppelt so groß verglichen mit der der Jungen. Denn sie könnten alles tragen: rosa oder blau, pink oder weiß oder grün – ganz egal für was sie sich entscheiden – niemand wird sie aufgrund der Farbe oder des Schnitts ihres T-Shirts be- oder verurteilen. Die Jungen hingegen werden auf die T-Shirts, die für sie gemacht wurden beschränkt. Dennoch werden die Mädchen oft sogar konsequent in der rosafarbenen Farbfamilie oder den zarten Pastelltönen festgehalten: so wirklich frei sind also beide nicht!
Kinder sollten bunt sein wollen
Wahrscheinlich ist es für die nächsten Jahre sehr utopisch darauf zu hoffen, dass die Stereotypen gegenüber Jungen und Mädchen, gegenüber den Farben die sie tragen sowie der Motive und Schnitte verschwinden. Aber selbst wenn die Mädchen gerade kaum darum herumkommen rosa zu tragen oder unbedingt rosa tragen wollen, kann man zunächst auf etwas anderes hoffen: nämlich, dass sie die Vorurteile gegenüber Rosa als Klischee-Farbe für Mädchen, die Naivität oder Hilflosigkeit verkörpert, verändern. Denn in Rosa oder Pink kann man genauso schnell rennen, genau so weit springen, genauso laut schreien, genauso hoch klettern, genauso schnell rechnen, genauso gut werfen und genauso viel essen wie die Jungen. Aber Kinder sollten bunt sein wollen und sich nicht nur auf eine Farbfamilie beschränken oder beschränken lassen. Auch wenn es schon so manch einem kleinen Menschen schwerfällt Muster zu ändern.
Wiedermal einen wunderschöne Geschichte. Ich freue mich so sehr auf neue Geschichten. Gruß telse ☺
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